Herr Münning, drei Viertel der Unternehmen in Westfalen-Lippe beschäftigen weniger als fünf Prozent Menschen mit Behinderung. Woran liegt das? Viele Unternehmerinnen und Unternehmer denken, dass die Leistung von Menschen mit Handicaps nicht stimmt. Das ist aber falsch, es kann sogar genau umgekehrt sein, wenn sie für die zu besetzende Stelle gut passen. Die Unternehmen sollten genau auf die Person schauen, auf die Fähigkeiten und den Antrieb. Bei diesem Prozess helfen wir. Wir qualifizieren für bestimmte Jobs und vermitteln. Wir bringen also Menschen und Arbeit zusammen. Eine besondere Form dabei sind die Integrationsunternehmen und -abteilungen, deren Zahl wir weiter steigern wollen.
Suchen Sie eher Unternehmerinnen und Unternehmer, die etwas tun wollen für Menschen mit Behinderung – oder solche, die rein wirtschaftlich denken? Wir setzen auf Firmeninhaberinnen und -inhaber, die wirtschaftlich denken und wissen, wie wichtig motivierte Mitarbeiter sind. Zudem sollte die Belegschaft hinter dem stehen, was das Unternehmen tut. Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – mit und ohne Behinderung.
Gesetzt den Fall, Sie finden immer mehr engagierte Unternehmen: Gibt es eine finanzielle Obergrenze der Förderung? Ein begrenzender Faktor ist die Ausgleichsabgabe, aus der wir die Integrations- unternehmen finanzieren. Momentan liegen wir bei etwa zehn Millionen Euro Förderung im Jahr. Es gibt aber weitere Fördermöglichkeiten (zum Beispiel das Budget für Arbeit), mit denen wir etwa den Wechsel von der Werkstatt für behinderte Menschen in ein Integrationsunternehmen finanzieren können. Außerdem geben wir an anderer Stelle wie den Werkstätten viel Geld aus, das wir gerne umwidmen wollen.
Wie viel kostet eine Stelle in einer Werkstatt für behinderte Menschen, wie viel in einem Integrationsunternehmen? Ein Werkstattplatz kostet 14.500 Euro im Jahr, für einen Platz im Integrationsunternehmen geben wir 7.100 Euro pro Kopf aus. Seit dem Jahr 2008 haben wir fast 500 Menschen den Wechsel ermöglicht. Unser Ziel ist jetzt, jedes Jahr noch einmal 100 Menschen mehr diese Chance zu bieten.
Wie viele Menschen mit Behinderung könnten Ihrer Einschätzung nach auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten? Je mehr Menschen es gibt, die das erfolgreich machen, desto mehr Nachahmer wird es geben. Wir wissen, dass wir kurzfristig nicht für alle einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz schaffen werden. Aber unser Anspruch ist hoch, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zu erfüllen.
Wie hoch ist der Bedarf an Stellen in Integrationsunternehmen? Neben vielen Besuchen in diesen Unternehmen habe ich einen Film gesehen, der mir sehr im Gedächtnis geblieben ist. Darin wurden junge Menschen mit körperlichen und motorischen Handicaps zu ihren Wünschen befragt – diese Gruppe würde nach unseren Erfahrungen zu 97 Prozent in eine Werkstatt gehen. Eine Frage lautete: Wer von euch möchte später auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten? Alle Finger sind hochgegangen. Diese Schülerinnen und Schüler waren noch nicht frustriert von der Erfahrung, dass es viele Dinge gibt, die sie vielleicht nicht erreichen können. Viele dieser Menschen bringen aber eine besondere Kraft mit, eben weil sie eine solche Arbeit wollen. Und dabei helfen wir ihnen.