Mehr als nur Geld verdienen
Gerhard Steinseifer Brauereibedarf, Wenden
Das Unternehmen »Gerhard Steinseifer, Brauereibedarf« hat im sauerländischen Wenden eine Integrationsabteilung eingerichtet. Deutschlands zweitgrößter Flaschensortierer, der jährlich eine halbe Milliarde Flaschen verarbeitet, bietet damit Arbeitsplätze für sieben Menschen mit Handicaps.
Horst Kanngießer steht auf einer Metallbrücke in einer hohen Fabrikhalle im sauerländischen Wenden. Unter ihm klackern unzählige grüne, weiße und braune Flaschen über Förderbänder. Roboterarme heben sie wie von Geisterhand in Getränkekisten, sortenrein.
„Wir sortieren Flaschen“, so einfach beschreibt der geschäftsführende Gesellschafter die Kernaufgabe der gut 300 Mitarbeiter der Firma »Gerhard Steinseifer, Brauereibedarf«. Wenden ist ideal für das Unternehmen. Im Sauerland kreuzen sich Autobahnen und in der Region werden bekannte deutsche Biere gebraut. Eine halbe Milliarde Pfandflaschen waren es im vorigen Jahr, die das Unternehmen in einem seiner sieben Standorte in Deutschland, halb- und vollautomatisch sortierte. Der zweitgrößte Flaschensortierer Deutschlands schickt die Flaschen anschließend zurück an die Bierbrauer, die sie neu befüllen. Das deutsche System von Flaschenpfand und Mehrwegzwang schafft Arbeit und Umsatz.
Auch für Menschen mit Behinderung. Sie arbeiten seit vier Jahren an einem großen Metalltisch, auf dem sie „Drittelliter“, wie Kanngießer sie nennt, in Getränkekisten packen. Überlegt und gut beraten haben Susanne und Horst Kanngießer eine Integrationsabteilung gegründet. „Wir waren neugierig, aber auch vorsichtig.“ Ihre Fragen hätten der Fachservice Schwerbehinderung des Kreises Olpe und der LWL sehr gut beantwortet.
Integration nach Praktikum
Nach und nach wurden sieben Kolleginnen und Kollegen mit Handicap eingestellt. Der Integrationsfachdienst in Olpe begleitete die Arbeit auf Probe. Die meisten Menschen mit Behinderung haben sich nach einem Praktikum schnell ins Team integriert. „Wir haben es auch mit einigen versucht, bei denen es nicht geklappt hat. Da muss man ganz ehrlich miteinander sein“, sagt Kanngießer.
„Der Arbeitsplatz muss zum Menschen passen“, ergänzt er – und dazu gehört auch, dass die Technik stimmt. Horst Kanngießer ist ein Tüftler, der sich oft die Frage stellt, wie etwas besser funktionieren kann. Bei den Arbeitsplätzen der Menschen mit Behinderungen war das ebenfalls wichtig: Der LWL-Ingenieurfachdienst hatte dem Geschäftsführer vorgerechnet, welchen Belastungen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesetzt sein dürfen. „Wir wollten sie mit der Arbeit nicht überfordern, aber unserer Firma natürlich auch nicht schaden, weil die neuen Kräfte die Tätigkeiten nicht ausreichend bewältigen konnten.“ Kanngießer sorgte dafür, dass die Getränkekästen nicht mehr gehoben werden müssen.
Vorurteile schnell entkräftet
Zudem schulte der LWL mit Bettina Wurm eine langjährige Mitarbeiterin, die den Menschen mit Behinderungen als betriebliche Ansprechpartnerin dient. Gleichzeitig übernimmt sie eine wichtige Aufgabe für die bestehende Belegschaft: „Als bekannt wurde, dass eine Integrationsabteilung geplant wurde, war die erste Reaktion: Oh Gott, was kommt da auf uns zu?“, erinnert sich Bettina Wurm. Gemeinsam mit den Kanngießers ist es ihr gelungen, Vorurteile zu entkräften. Mit den Informationen kam auch das Verstehen. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Integrationsabteilung sind heute akzeptiert, sagt Bettina Wurm. „Wir sind sehr stolz darauf und wollen diese Art des Miteinanders auch nicht mehr verändern. Weil es passt.“ Zumal alle davon profitieren, das Unternehmen wie auch die Beschäftigten mit Behinderungen. „Arbeit ist nun einmal etwas, was der Mensch braucht“, ergänzt Horst Kanngießer. „Es ist mehr, als nur Geld zu verdienen.“