Fehlerquote null Prozent
Das Integrationsunternehmen PSA GmbH mit der Abteilung DMS in Bocholt digitalisiert Akten und ermöglicht Rafa Lawah ein Arbeitsleben trotz einer schweren Behinderung
Büroklammern, Heftklammern und gelbe Klebezettel. Diese drei unscheinbaren kleinen Helferlein sind in den meisten Büros rund um den Globus zuhause. Taucht auch nur eines der drei Dinge vor Rafa Lawahs Augen auf, dann gibt’s mehr Arbeit. Nicht nur für die 25-jährige Bocholterin mit dem Lockenkopf – sondern gleich auch für ihre Kollegen in der DMS Abteilung. Denn Rafa Lawah scannt Akten ein, aber Scanner mögen keine Büro- und Heftklammern, wie es sie zuhauf in Akten gibt.
Berge von Zeichnungen, alte Rechnungen, Bestellungen, Angebote, Auftragsbestätigungen und so ungefähr alles andere, was auf Papier gedruckt wird, entreißt Rafa Lawah mit Maschinenhilfe und viel Geduld dem Vergessen. Für Unternehmen und Behörden scannt die junge Frau im Rollstuhl wichtige Unterlagen ein. Damit sind die Inhalte maschinenlesbar und digital verfügbar – wie demnächst die Bauakten der Stadt Bocholt.
Hinter DMS verbirgt sich der Begriff „Dokumenten-Management-System“. Die Integrationsabteilung der Personal- und Service-Agentur Bocholt Borken, die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) unterstützt wird, beschäftigt elf Menschen mit Behinderung. Rafa Lawah zum Beispiel kann nicht laufen. „Schon immer“, erzählt die gelernte Bürogehilfin. „Ich kenne es nicht anders.“ Sie lacht und zieht fast entschuldigend die Schultern hoch. „Ich bin mit dem Rolli aufgewachsen. Man geht damit um. Das ist für mich normal.“
Ähnlich gelassen beschreibt Rafa Lawah gemeinsam mit ihrem Abteilungsleiter Dirk Fitscher, wie sie zusammen mit ihren zehn Kollegen Akten in ihre Einzelteile zerlegt, Seite für Seite säuberlich sortiert. Ihr Arbeitsplatz ist dabei nicht nur bei der DMS im Gewerbegebiet, sondern auch im Bocholter Rathaus. Dort sichten sie zu fünft die Akten des städtischen Bauamts, bereiten sie zum Scannen vor. „Und das“, sagt sie, „macht mir Spaß“.
Seite für Seite schauen sich die DMS’ler anschließend die Seiten-Scans an, vergleichen sie mit dem Original. Wenn alles richtig eingelesen ist, bauen sie die Akte wieder zusammen, kleben die Post-its genau dorthin, wo sie vor dem Scan pappten. Und die nun digitalen Inhalte werden auf eine CD, DVD oder Blu-ray gebrannt und gehen zusammen mit der Original-Akte an den Auftraggeber. „Fehlerquote null Prozent“, sagt Dirk Fitscher.
Fünf Tage die Woche arbeitet Rafa Lawah, mit Pausen unter dem Strich 5,25 Stunden pro Tag. Mehr schafft sie wegen ihrer Behinderung nicht, erzählt sie. Sie freut sich über ihren Arbeitsplatz. Denn mit der Behinderung passende Arbeit zu finden, „ist nicht so ganz einfach im Raum Bocholt“. Das hat sie in dem einen Jahr nach dem Ende ihrer dreijährigen Lehre im Berufsbildungswerk im westmünsterländischen Maria Veen gemerkt. Da war sie offiziell „arbeitssuchend“ gemeldet, wohnte bei den Eltern – und wusste nicht, wie es in ihrem Leben weitergehen sollte.
Bis zum Anruf vom Bocholter Integrationsfachdienst, der fragte, „ob ich Interesse habe.“ Natürlich hatte sie Interesse. Sofort. Auch wenn sie sich in die Welt der Scanner noch einarbeiten musste. Erst gab es ein Praktikum, „um langsam reinzukommen“.Sie wurde übernommen, hat heute sogar einen Schlüssel für den von der Außenwelt hermetisch abgeschotteten Bereich der Datenverarbeitung.
„Ich kenne mich mit Bürotätigkeiten ziemlich gut aus“, sagt sie heute selbstbewusst. Das haben ihr auch die drei Jahre Arbeit bestätigt. „Ich habe heute einen festen Job“, sagt Rafa Lawah und es klingt, als ob sie von etwas Kostbarem erzählt. „Ich kann jeden Morgen aufstehen und was Sinnvolles machen.“
Rafa Lawah führt heute als Mensch mit einer schweren Behinderung ein selbstständiges, „mein eigenes“ Leben. Sie fährt mit einem Auto selbst zur Arbeit. Jeden Dienstag trainiert sie ihr Englisch an der Volkshochschule, „Level three“. Und die junge Bocholterin kann allein leben. Auch das hat ihr der Job bei DMS ermöglicht: Seit einem halben Jahr hat sie eine eigene, auf ihre Behinderung zugeschnittene Wohnung in Bocholt. Eine Rampe vor der Tür und genug Platz zum Rangieren mit dem Rollstuhl. Nur einmal in der Woche kommt eine Helferin für drei Stunden. „Den Rest mache ich selbst“, sagt sie.