Das Handicap spielt keine Rolle
16 Menschen mit Behinderung sorgen für perfekte Verhältnisse auf dem Golfplatz Haxterpark in Paderborn
Als Jörg Glörfeld und seine drei Kollegen an Loch drei ankommen, scheint die Sonne hoch vom Himmel. Der Mann im grünen Arbeitsanzug schnappt sich den Handrasenmäher und legt los. Sehr konzentriert rasiert er den dichten Rasen auf vier Millimeter Länge ab, versucht, keinen Weg doppelt zu fahren. „Jörg“, ruft sein Kollege herüber, „du musst hier am Rand noch einmal her.“ Glörfeld dreht sich um, nickt und dreht den Mäher herum. „Ok, mache ich.“ Und schiebt noch eine Runde entlang des rund angelegten Grüns auf dem Golfplatz Haxterpark in Paderborn.
Der 34-Jährige ist Greenkeeper und trägt viel Verantwortung in seinem Job. Von den Bodenbedingungen rund um das Loch hängen Erfolg und Misserfolg der Golfspieler ab. Glörfeld weiß das – und freut sich, wenn Golfer ihm im Vorübergehen ein herzliches „Gute Arbeit“ zurufen. Die Anerkennung gefällt dem gebürtigen Warburger, der seit seinem Hauptschulabschluss im Gärtnerteam in den Caritas Wohn- und Werkstätten Paderborn arbeitet. Wichtig ist ihm aber auch, dass er selbst sieht, was er auf dem Golfplatz des Universitätsclubs Paderborn geschafft hat, wenn er abends nach der Arbeit mit dem Bus in seine Wohnung fährt.
Als einer von zwölf Praktikanten hat Jörg Glörfeld Anfang 2011 angefangen, im Golfclub die Fertigkeiten des Greenkeepers zu erlernen. Kommendes Frühjahr soll er dort eine Festanstellung bekommen – zum ersten Mal in seinem Leben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Verein, den die Sportwissenschaftler der Universität 1999 zu Forschungszwecken gründeten und der 2004 einen 9-Loch-Golfplatz in Betrieb nahm, wird im April 2012 einen neuen 18 Loch-Platz eröffnen und den Betrieb als Integrationsunternehmen führen – mit insgesamt 16 neuen Jobs für Menschen mit Handicaps, die auf der 58 Hektar großen Anlage auch im Bistro oder bei anderen Aufgaben eingesetzt werden. Der LWL förderte die Ausstattung der Gastronomie und des Greenkeepings, hinzu kamen Eigenmittel und Unterstützung durch das NRW-Landesprogramm „Integration unternehmen!“, die Aktion Mensch und die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW.
Der Universitäts-Golfclub-Paderborn hat Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen. „Das ist für uns nichts Neues – auch vor Gründung des Integrationsunternehmens war die Hälfte unserer Beschäftigten schwerbehindert“, sagt Geschäftsführer Helmut Böhmer. Die Anzahl der neuen Kollegen und damit die Integrationsanstrengungen im Team sind groß. „Aber wer, wenn nicht wir, sollte sich in diesem Bereich engagieren“, fragt der Diplom-Pädagoge.
Aus einer anderen beruflichen Richtung kommt André Flore. Der 29-Jährige ist gelernter Gärtner und hatte sich nach einigen Jahren im Beruf bei den Caritas Wohn- und Werkstätten Paderborn als Arbeits- und Berufstrainer in der Gartenabteilung beworben. „Ich hatte mit Behinderten vorher nie etwas zu tun, das hat mich gereizt.“ Seit zwei Jahren ist er nun in Privat- und öffentlichen Gärten tätig, leitet dort die Menschen mit Behinderungen an. Ähnlich sieht nun auf dem Golfplatz sein Job aus, wo er für vier Gruppen zuständig ist. „Unsere Mitarbeiter lernen so schnell, dass ich zum Teil nur noch zum Kontrollieren vorbeikommen muss.“ Es wirkt wie bestellt als ein Kollege auftaucht: „Die Hecke an Loch 9 ist geschnitten.“ Er fragt, was nun zu tun sei. Flore geht kurz herüber, erklärt, wo der Trupp weiterarbeiten soll.
Die Arbeit geht gut voran. Bis auf die Motorsäge dürfen die behinderten Greenkeeper sämtliche Geräte nutzen, mähen Rasen, schneiden Hecken, sammeln Golfbälle, bereiten den Sand im so genannten Bunker auf. Einschränkungen, das macht Flore klar, gibt es dennoch. „Ich muss zum Beispiel meine Anweisungen recht einfach halten und darf nicht zu viele Arbeitsschritte im Voraus ankündigen.“ Kompliziertere Vorgänge muss er immer dann weitererklären, wenn die nächste Tätigkeit ansteht.
Eine ganz andere Form von komplexen Trainings genießen die behinderten Mitarbeiter alle zwei Wochen. Sie lernen Golf zu spielen. „Der Sport hat direkt mehrere gute Auswirkungen auf die Menschen mit Handicaps“, sagt Clubmanager Böhmer. „Sie verbessern ihre gesamte Motorik und vor allem die Auge-Hand-Koordination, was ihnen im Alltag und bei der Arbeit zugute kommt. Außerdem erfahren sie am eigenen Leib, was die Platzverhältnisse tatsächlich für die Spieler bedeuten.“ Herkömmliche Anlagen dieser Größe haben einen sehr hohen Maschinenaufwand und arbeiten mit drei bis vier Greenkeepern insgesamt. Weil das Greenkeeping für das Konzept so wichtig ist, hat Böhmer einen Team-Pflegemodus entwickelt. Drei Teams sind mit jeweils vier Mitarbeitern besetzt, von denen drei im Sommer immer anwesend sein sollten. „Die Fehlzeiten wegen Krankheiten sind recht hoch und manchmal haben wir auch kurzfristige Ausfälle, wenn es einem mal nicht so gut geht“, sagt Böhmer. „Darauf müssen wir vorbereitet sein. Wir sind immer noch ein ganz normaler Golfplatz.“