Inklusion mit Tradition
Großewinkelmann, Rietberg
Stall- und Weidetechnik sowie Zaun- und Toranlagen sind das umfassende Produktionsprogramm der Firma Großewinkelmann. Bei dem Unternehmen im ostwestfälischen Rietberg arbeiten seit Jahrzehnten Menschen mit Behinderung. Die 2010 gegründete Integrationsabteilung umfasst mittlerweile elf Kräfte – hinzu kommen zehn Menschen mit Behinderung auf ausgelagerten Werkstattarbeitsplätzen.
Mit einem geübten Schwung fährt Andre Sasse den Gabelstapler um das Stahlregal herum. Er lädt eine Palette auf die Zinken. Quer durch das Außenlager der Firma Großewinkelmann transportiert der 30-Jährige sie zu einem LKW. Seine gelbe Warnjacke leuchtet durch das Staplerfenster, während der junge Mann schon wieder auf dem Weg zum nächsten Lagerplatz ist.
Einmal quer übers Firmengelände, in der hinteren Halle, montiert derweil Frank Merschbrock einen Sattelschrank. Ganz in Ruhe, aber sehr stetig schraubt er die Befestigungen für Halfter und Trensen in das Möbelstück für den Pferdestall. Andre Sasse und Frank Merschbrock sind zwei von rund 20 Menschen mit Behinderungen, die beim Stalltechnikspezialisten im ostwestfälischen Rietberg arbeiten.
Zusammenarbeit seit Jahrzehnten
Die Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Handicaps hat bei Großewinkelmann Tradition. Das 1942 gegründete Unternehmen produziert mit 130 Beschäftigten für höchst unterschiedliche Kunden: Vom einfachen Jägerzaun für das Eigenheim bis hin zu Sicherheitszäunen für die Münchner Allianz-Arena oder forensische Kliniken reicht die Produktpalette der Firma. Und schon vor über 25 Jahren begann der damalige Firmenchef Hans Hesse die Zusammenarbeit mit den Werkstätten für behinderte Menschen – dem heutigen Wertkreis Gütersloh. Großewinkelmann transportierte damals die Einzelteile für Sattelschränke zu den Menschen mit Behinderungen, die diese zusammenbauten und -schraubten. „Das hat sehr gut geklappt“, sagt Ralf Hesse. Der Sohn von Hans Hesse führt Großewinkelmann heute mit seinem Bruder Frank. „Aber als das Auftragsaufkommen immer größer wurde, mussten wir etwas unternehmen.“ Zufälligerweise wurden im Jahr 2008 auf dem benachbarten Grundstück Hallen frei. Großewinkelmann übernahm die Gebäude und bündelte dort die Außenarbeitsplätze für sieben Menschen mit Behinderungen. Ein weiterer Effekt: Auch die Logistikkosten sind wegen der wegfallenden Transporte gesunken.
Drang zum ersten Arbeitsmarkt
Die Einrichtung einer eigenen Integrationsabteilung hingegen war für Ralf Hesse nicht zwangsläufig. „Als das Thema insgesamt aber immer größer wurde und hier im Ort ein solcher Betrieb eröffnete, merkten wir, dass einige unserer besten Mitarbeiter mit Behinderung Interesse an diesen Firmen hatten. Sie wollten verständlicherweise gerne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt sein.“ Anstatt erst dann zu reagieren, wenn die Kräfte abwanderten, beschloss der Geschäftsführer, selbst aktiv zu werden. Er informierte sich – und der Entschluss stand schnell fest: Am 1. Oktober 2010 eröffnete die Integrationsabteilung mit sieben Menschen mit Hör-, geistigen oder psychischen Behinderungen. Mittlerweile sind es elf, vor allem Werkstattwechsler und Auszubildende.
„Der Weg dorthin war gar nicht so schwierig. Wir haben sehr viel Hilfe vom LWL und dem Integrationsfachdienst bekommen“, sagt Ellen Wiethof, Personalchefin von Großewinkelmann. Das LWL-Integrationsamt beriet das Unternehmen und unterstützte es mit 140.000 Euro dabei, eine Montagehalle auszubauen. Zudem bekommt Großewinkelmann Zahlungen als Minderleistungsausgleich und für den erhöhten Betreuungsaufwand.
Ellen Wiethof wirbt auch bei Treffen der Firmenchefs oder Personalverantwortlichen in der Region für die Gründung von Integrationsunternehmen oder -abteilungen und muss dabei nicht selten auf viel Skepsis reagieren. „Viele Kolleginnen und Kollegen haben großen Respekt vor einem solchen Schritt. Auch, weil sich in Wirtschaftskreisen hartnäckig das Vorurteil hält, dass der besondere Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderungen die Unternehmen unflexibel macht.“ Das stimme aber nicht: „Wenn es wirklich nicht funktioniert, gibt es immer – auch in Zusammenarbeit mit dem Integrationsfachdienst und dem Integrationsamt – einen Weg.“ Damit das nicht passiere, müssten alle Beteiligten im Vorfeld sehr genau hinschauen. Bei langen Praktika und in der Anlernphase bei einer zunächst befristeten Anstellung sei gut zu erkennen, ob die Konstellation passe.
Zufrieden mit Arbeitsleistungen
Manchmal entpuppen sich dabei auch vermeintliche Wackelkandidaten als besonders gute Kräfte. „Wir haben einen Kollegen, der in der Werkstatt für behinderte Menschen anscheinend unterfordert war und dort überhaupt nicht zurechtkam. Bei uns läuft er wie ein Uhrwerk und übernimmt immer mehr Verantwortung“, sagt Ralf Hesse. Der Nutzen der Integrationsabteilung sei für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung sehr groß – aber auch für den Betrieb. „Wir bekommen sehr gute Arbeitsleistungen für unser Geld“, sagt Ralf Hesse.
Zudem vermittle die besondere Zusammenarbeit ein gutes Gefühl. „Für alle“, ergänzt Ellen Wiethof. „In der Halle, in der die Integrationsabteilung ihren Platz hat, arbeiten längst Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen.“ Ihr Chef nickt. „Das passt zu uns. Wir haben als Unternehmen schon immer eine starke soziale Verantwortung übernommen“, erklärt der Geschäftsführer. „Diese tragen wir mit den integrativen Arbeitsplätzen nun weiter und wollen das auch in Zukunft tun.“