Flexibel und zuverlässig im Job
Donaldson in Dülmen
Jörg Bußmann montiert große, schwarze Luftfilter für einen Lasterhersteller. Einzwängen, festzurren, schrauben. Kurze, sichere Handgriffe. Der schlanke 35-Jährige mit dem Donaldson-Logo auf dem Blaumann schiebt den Filter lässig über die Werkbank zu seiner Kollegin. Sie lässt den fertigen Einsatz gleich in einen Pappkarton verschwinden. Zweimal falten – und schon ist der Filter versandfertig in der großen Transportbox. Minutensache.
Pause. „Ich bin zufrieden hier“, sagt Jörg Bußmann, wischt sich mit der Hand Schweiß von der Stirn. Von Anfang an ist er als einer von drei Langzeitarbeitslosen in der Integrationsabteilung dabei, die das amerikanische Industrieunternehmen 2005 in Dülmen für Mitarbeiter mit Behinderungen einrichtete. Vorher hatte er als Bäcker, Koch und Schweißer gejobbt, nie kam eine feste Anstellung dabei raus. „Ich wollte immer Schlosser werden. Das war mein Berufswunsch.“ Eine Lehre hat er aber nicht gemacht – trotz mehrerer Schulpraktika. Daran ist sein Handicap Schuld. „Als ich nach der Schule in die Lehre wollte, hab’ ich plötzlich epileptische Anfälle bekommen.“ Mit der Krankheit war die Chance auf eine Schlosser-Lehrstelle dahin. Auch wenn die Anfälle für ihn nicht mehr existieren, das Handicap ist geblieben.
Jörg Bußmann erzählt, dass er in seinem Heimatort in der „Zweiten“ von Vorwärts Hiddingsel jede Woche Fußball spielt. „Und auch bei den Alten Herren noch.“ Und vor drei Monaten ist er zum zweiten Mal Vater eines Sohns geworden.
Jörg Bußmann lacht, erzählt weiter vom Ältesten, der jetzt schon sieben ist. Mit Freundin und Kind lebt er in Senden. Dort wohnt Ziver Alyüz auf der anderen Straßenseite, der hier an derselben Werkbank Filterteile zusammenklebt. Mit dem 30 Jahre alten Kollegen fährt Jörg Bußmann oft nach Dülmen ins Industriegebiet zur Arbeit. Im Sommer radelt er die 20 Kilometer gerne mit dem Fahrrad. „Gut eine Stunde. Das ist morgens toll.“ Dafür steht er früh auf. Um sechs Uhr beginnt die Frühschicht. „Wechselschicht mach’ ich jetzt schon seit drei Jahren.“
Ende der Pause. Jörg Bußmann ist es gewohnt, dass ihm bei der Arbeit jemand über die Schulter schaut. Das macht Nicole Janutsch. Sie ist die Arbeitsanleiterin und kümmert sich, seit die Abteilung vor sechs Jahren gegründet wurde, darum, dass die Arbeit verteilt und erledigt wird. Janutsch sagt: „Mit Feingefühl.“ Denn ihre Mitarbeiter haben alle Handicaps. Sie ist eine gelernte Schreinerin und hatte vor ihrem Einsatz bei Donaldson schon in einem Projekt mit Langzeitarbeitslosen gearbeitet. Ihre zwei Frauen und fünf Männer in der Integrations-Truppe kennt sie gut, bestätigt ihr auch Chef Ralf Stahlberg. Dass muss sie auch: Längst nicht jeder kann mit jedem in jeder Schicht zusammen arbeiten. Das hängt auch von der Art der abzuarbeitenden Aufträge ab.
Der Betriebsrat hatte die Integrationsabteilung damals vorgeschlagen, erzählt Ralf Stahlberg beim Rundgang. Die Werksleitung suchte nach flexibel einsetzbaren Arbeitskräften. „Extrawürste“ gibt’s für die Integrationsabteilung nicht. „Die sind Teil der Produktion. Bei uns ist das eins.“ Der Donaldson-Standort Dülmen schlägt im Jahr über eine Million Filter um. „Und steht im harten internationalen Kosten-Wettbewerb“, sagt Stahlberg. Donaldson baut an 37 Standorten rund um die Welt Filteranlagen für Industriemaschinen, Trecker, Autos, Flugzeuge und diverse Industriezweige. In Großbritannien sei ein ähnlicher Versuch einer Integrationsabteilung gescheitert. „Wir haben aber im Konzern keine Probleme gehabt.“
Personalleiterin Delia Bauckelmann lässt keine Zweifel über die Anforderungen an die Mitarbeiter der Integrationsabteilung aufkommen: „Wir sind kein karitativer Verein.“ Aber sie lobt mit nicht zu überhörenden Stolz deren Leistungen im Zwei-Schicht-Betrieb.
Beim Integrationsfachdienst und dem LWL-Integrationsamt hatte sie sich vor sechs Jahren im Vorfeld der Abteilungsgründung beraten lassen. „Das ging ruckzuck. Wir wollten ja auch wissen, was kommt da auf uns zu“, sagt Delia Bauckelmann. Skepsis und Unwissen in der Belegschaft über die neuen Kollegen mit Behinderungen wurden zusammen mit dem Betriebsrat abgebaut. Wenn heute Flexibilität und kniffelige Arbeit in Montage und Verpackung gefragt sind, dann kommt die Integrationsabteilung zum Zuge. „Zunächst ist hier nur verpackt worden“, erzählt Stahlberg, „dann haben sich die Mitarbeiter für die individuelle Filtermontage qualifiziert.“ Und so ihre Arbeitsplätze gesichert.
Jörg Bußmann hat damals nach der Probezeit seinen festen Arbeitsplatz bekommen, ist heute einer von rund 230 Mitarbeitern in der hell ausgeleuchteten Produktionshalle. Unter der Uhr hängen Zeitungsausschnitte und Fotos im goldenen Bilderrahmen über Nicole Janutschs Arbeitsplatte. Jörg Bußmann sagt stolz: „Das war in Düsseldorf.“ Bei der Auftaktveranstaltung des Landesprogramms „Integration unternehmen!“ waren auch Menschen mit Behinderung vertreten, die schon Arbeit in Integrationsunternehmen oder – abteilungen hatten. „Wir waren dabei.“
Mit dem Hubwagen bugsiert Bußmann hinter seinem Chef die Transportbox mit den versandfertigen Filtereinheiten aus der Abteilung. „Das Mehr an Urlaub und der höhere Kündigungsschutz rechnen sich letztlich durch finanzielle Subventionen. Und natürlich ist da die hohe Motivation der Mitarbeiter in der Integrationsabteilung“, lobt auch Manager Stahlberg.
Handarbeit, kleine Stückzahlen, sorgfältiger Umgang mit Kunststoff, Karton und Kleber – damit punktet die Abteilung beim Chef. Jörg Bußmann sagt, dass er seine Arbeit in der Industrie mag. „Und das Gehalt stimmt auch.“ Wohl noch wichtiger: Seine Kolleginnen und Kollegen vertrauen ihm. „Ich bin von den Kollegen im Betrieb als Schwerbehindertenvertreter gewählt“, erzählt er und lacht laut auf während er die nächste Transportbox festzurrt: „Und Nicole ist meine Stellvertreterin.“