Museum ohne Direktor
Das HeinrichNeuyBauhausMuseum in Steinfurt schafft Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen
Graue Haare, Goldbrille, hellblaue Jeans, braune Boots-Schuhe, ein Polo-Shirt in Pink. Jürgen Holtz steht mit einem Lächeln in der eichenen, reich verzierten Eingangstür, begrüßt die Besucher. Aber auch wenn es so aussieht, das HeinrichNeuyBauhausMuseum in Steinfurt hat keinen Direktor. Und auch keinen Museumsführer. Beides macht dann und wann Jürgen Holtz. Ehrenamtlich.
Das Haus am Kirchplatz mitten im historischen Kern des Steinfurter Stadtteils Borghorst ist kein gewöhnliches Museum. Es stellt das Lebenswerk von Heinrich Neuy seit Mitte 2011 erstmals für die Öffentlichkeit aus. Der Bauhaus-Künstler war Möbeldesigner, Architekt, Maler und ehemaliger Schüler von heute weltberühmten Lehrern und Künstlern wie Wassily Kandinsky, Josef Albers und Ludwig Mies van der Rohe. Bilder, Möbel, Stelen und Bleiverglasungen Neuys sowie Werke anderer Bauhaus-Künstler werden dort in Wechselausstellungen präsentiert. Das Museum will Kunst, Touristik und Gastronomie unter einen Hut bringen. Und zugleich ist es ein vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) mitfinanziertes Integrationsunternehmen, in dem drei Menschen mit Handicap auf Dauer einen Arbeitsplatz bekommen sollen.
Eine Stiftung trägt das Museum, in dem vieles bis heute ehrenamtlich erledigt wird, erzählt Holtz, der nicht nur einer der Mitbegründer, sondern auch Zweiter Vorsitzender der Neuy-Stiftung und Geschäftsführer der Beschäftigungsgesellschaft ist. Die Borghorster Initiative hat aber nicht nur ein nagelneues Museum geschaffen. Aus dem einstigen Wohnhaus ist auch ein Gesamtkunstwerk für Borghorst geworden.
Die Ursprünge des Hauses gehen zurück auf das vor zweihundert Jahren aufgelöste Kanonissen- und Damenstift in Borghorst. In der Eingangshalle mit den bunten Bodenfliesen zeigt Jürgen Holtz gerne auf die unverputzt gelassene Stelle, die das Fachwerk und die Originalbemalung zeigt. Das Stiftskurienhaus aus dem Jahr 1668 ist liebevoll und mit Respekt vor dem historischen Erbe und im Gedanken an das Bauhaus restauriert worden. Es beherbergt auch die einstige Stiftsbibliothek. Die Buchbestände des Stifts, die von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster erschlossen und konserviert wurden, haben so nach Borghorst zurückgefunden.
Ihren Platz haben die historischen Bücher nun wohlgesichert und klimatisiert wieder im Haus Am Kirchplatz 5, das ansonsten das Oberthema Bauhaus erlebbar macht: Im Mobiliar, in Geschirr und Besteck, aber eben auch in der Kunst. Einrichtung und Ausstattung sollen vollständig dem Bauhaus-Gedanken verpflichtet sein, erläutert Holtz beim Rundgang. Kunst und Gebrauchsdesign sollen Hand in Hand eine Atmosphäre schaffen, die die Bauhaus-Philosophie eben nicht nur museal präsentiert, sondern die sich beim Besuch des Restaurants oder des kleinen Museumsladens auch erfahren lässt.
Und zugleich entsteht dadurch im Norden des Münsterlands ein Integrationsunternehmen, das Menschen mit Behinderungen reguläre Arbeitsplätze bietet. „Wir sind das unvoreingenommen angegangen“, sagt der Sparkassendirektor im Ruhestand. Ein gehandicapter Mitarbeiter arbeitet am Empfang und ist an den vier Öffnungstagen des Museums auch als Aufsicht präsent. Zwei weitere Einstellungen sollen folgen, wenn Holtz einen Betreiber für das geplante Café gefunden hat. Es soll im luftigen Anbau hinter dem eigentlich historischen Gebäude mit Blick in den Garten entstehen.
Der erste Mitarbeiter war auch schon die richtige Wahl, erzählt Holtz. Er ist seit Dezember 2010 dabei. Nach der gecoachten Einarbeitungsphase sei der Mitarbeiter mit seinen vielen Begabungen schon zum „guten Geist des Museums“ geworden. Und wo liegt der Unterschied zu seinen früheren Mitarbeitern bei der Sparkasse? „Manche Dinge dauern hier halt einen Tacken länger“, sagt Holtz. „Es braucht Langmut, das ist eigentlich das Einzige.“