Saubere Arbeit
In der Bäckerei Grobe in Dortmund wurde aus der Reinigungs- eine Integrationsabteilung
„Pause zu Ende“, sagt Jennifer Kretschmann. Sie nimmt ihre Wasserflasche vom Tisch im Aufenthaltsraum, in dem sie erst seit fünf Minuten mit zwei Kollegen sitzt. Ein Schluck noch, dann geht`s zurück an die Arbeit. Die 27-Jährige in der grauweiß-karierten Bäckerhose und dem grünen Sweat-Shirt steht auf, sagt: „Bis später.“ Die weiße Mütze zieht sie etwas tiefer ins Gesicht. „Die müssen wir wegen der Sauberkeit tragen“, erklärt sie und macht sich auf den Weg in die Produktionshalle der Bäckerei Grobe in Dortmund.
Das ist Alltag für Jennifer Kretschmann, den sie sich vor einigen Monaten kaum vorstellen konnte. Die junge Frau mit Lernbehinderung hatte zuvor während einer unterstützten Maßnahme bei der Gesellschaft für Arbeit und soziale Dienstleistungen in Dortmund verschiedene Praktika gemacht, zum Beispiel im Gartenbau oder in einer Zoohandlung. Nun macht ihr die Arbeit sehr viel Spaß, wie sie mehrfach betont.
Ihr Arbeitgeber ist die Bäckerei Grobe, die aus einem Gewerbegebiet 43 Filialen in Dortmund, Unna, Witten und Castrop-Rauxel mit Brötchen, Brot, Teilchen und Kuchen versorgt. „Hier muss ich zwar auch viel tun, aber komme gerne hierhin“, sagt Kretschmann. „Ich wollte immer mein eigenes Geld verdienen.“ Das 1905 gegründete Unternehmen hat mit Hilfe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) seine Reinigungs- in eine Integrationsabteilung umgewandelt. Drei behinderte und vier nichtbehinderte Mitarbeiter arbeiten dort an einer wichtigen Schnittstelle zwischen Produktion und Auslieferung: Sie säubern tägliche Tausende Bleche und Körbe, die aus den Geschäften zurückkommen, und reinigen Teigschüsseln und Quirle, die in der großen Produktionshalle gebraucht wurden. Vorne schiebt ein Kollege die verklebten Kuchenbleche in den silbernen Schlund hinein. Am Ende der acht Meter großen Maschine nimmt Jennifer Kretschmann die wieder glänzenden Bleche heraus.
„Im Lebensmittelbereich muss die Hygiene immer stimmen“, macht Inhaber Jürgen Hinkelmann klar. „Deswegen wollten wir an dieser Stelle noch einmal investieren“, sagt der 47-jährige gelernte Bäckermeister und Betriebswirt, der 2002 das Unternehmen gekauft und ausgebaut hat. Er war schon länger auf der Suche nach einer besseren Lösung für die Reinigungsaufgaben. „Das Ein- und Ausladen bei unseren alten Geschirrspülmaschinen dauert“, erläutert Hinkelmann. „Damit binden wir die Arbeitszeit der Kollegen und sind nicht effizient genug.“ Ein befreundeter Großbetrieb brachte ihn auf eine Idee. „Die Kollegen hatten eine neue moderne Spülmaschine gekauft, die die Arbeit erleichtert und an der man zugleich auch Menschen mit Behinderung sehr gut einsetzen kann. Das haben wir uns angeschaut.“ Der Grobe-Chef und sein Betriebsleiter Jörg Wegermann waren begeistert und legten los.
„Wir haben uns an das LWL-Integrationsamt gewandt und gemeinsam überlegt, wie wir das Ganze stemmen können“, sagt Wegermann. Nach einigen Telefonaten und eingehender Recherche war klar, dass eine Integrationsabteilung der richtige Weg sein würde. Der LWL finanzierte die effiziente Spülmaschine mit. Den Löwenanteil trug das Unternehmen, das zudem die nötigen Umbauten bezahlte. Mit Hilfe des Integrationsfachdienstes Dortmund machte sich die Bäckerei auf die Suche nach geeigneten Mitarbeitern. „Das war gar nicht so einfach“, erinnert sich Hinkelmann. „Das muss menschlich passen, aber die Kollegen müssen auch bereit sein, pünktlich und fleißig ihre Arbeit zu tun.“ Für den Unternehmer, der auch auf Wärmerückgewinnung und Photovoltaik setzt und benachteiligte Jugendliche unterstützt, indem er ihnen Ausbildungsplätze anbietet, ist soziales Engagement selbstverständlich. Aber: „Dazu gehört auch, dass wir wirtschaftlich arbeiten, damit wir die Jobs unserer anderen Mitarbeiter und unseren Unternehmenserfolg nicht aufs Spiel setzen.“
Deswegen testete der Betrieb die Kandidaten auch eingehend. „Die Menschen mit Handicaps, die bei uns anfangen möchten, machen zunächst ein Praktikum. Dabei sehen beide Seiten, ob das Ganze funktioniert“, sagt Wegermann, der wie sein Chef Bäckermeister und Betriebswirt ist. „Anschließend stellen wir sie befristet ein und wenn sie sich bewähren, bekommen sie eine feste Stelle.“ Genauso verfährt das Unternehmen, das für Branchenmaßstäbe relativ wenige 400-Euro-Kräfte beschäftigt, auch mit den nicht-behinderten Mitarbeitern, die in der Bäckerei anfangen. „Bis auf wenige Ausnahmen wandeln wir sämtliche Arbeitsverhältnisse danach in unbefristete Verträge um.“
Auch bei Jennifer Kretschmann, die seit Anfang November in der Firma arbeitet, macht sich Wegermann keine Sorgen. „Das klappt bisher prima und das Team passt gut zusammen.“