Nah am Kunden
CAP-Markt in Bottrop-Grafenwald
Nein, dass sie einmal gerne kassieren würde, hätte sich Anne-Kathrin Hasebrink früher nicht träumen lassen. Wegen einer Rechenschwäche macht sie um Zahlen eigentlich gerne einen großen Bogen. Heute sitzt die Verkäuferin dagegen liebend gern an einer der Kassen des „CAP-Marktes“, zieht Produkte über den Scanner und plauscht dabei mit Kundinnen und Kunden. „Ich bin ziemlich redselig“, räumt die 25-Jährige ein. Obwohl sie mit einem Behinderungsgrad von 80 umfänglich behindert ist, hat sie einen Job in einem Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäft. Voll integriert und dauerhaft.
Menschen mit und ohne Handicaps arbeiten im CAP-Markt – daher der Name – miteinander. Fast 50 solcher Märkte gibt es deutschlandweit, sechs in Nordrhein-Westfalen, seit März 2006 auch einen in Bottrop-Grafenwald. Der LWL beteiligte sich im Vorfeld der Eröffnung an den Investitionskosten und gewährt Lohnkostenzuschüsse für die schwerbehinderten Menschen, deren Beschäftigung für den Arbeitgeber mit außergewöhnlichen Belastungen verbunden ist. Anne-Kathrin Hasebrink, die sich viel lieber „Kati“ rufen lässt, ist von Anfang an für 25 Stunden in der Woche dabei. Von ihren insgesamt elf Kolleginnen und Kollegen haben fünf weitere psychische und körperliche Beeinträchtigungen.
Auf den ersten Blick unterscheidet sich der CAP-Markt nicht von anderen Supermärkten. Am Eingang hinter der Schranke beginnt der Frische-Bereich mit Obst und Gemüse, ein Stück weiter rechts findet eine kleine Getränkeecke ihren Platz. Der Blick schweift über gut sortierte Regale mit Markenartikeln, gelbe und grüne Luftballons schweben unter der Decke, links hinten im Laden befindet sich eine Theke mit Frischwurst und -fleisch. Kundinnen und Kunden schieben Einkaufswagen durch die Gänge.
„Man kann sich mit Menschen, die eine Beeinträchtigung haben, dem Wettbewerb stellen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, ist Arnd J. Schreiner überzeugt. Der Standort in Bottrop-Grafenwald bietet besonders günstige Bedingungen, erklärt der Prokurist des Diakonischen Werkes Gladbeck-Bottrop-Dorsten, das über eine Tochtergesellschaft Betreiber des CAP-Marktes ist. Der Laden liegt in einem Wohngebiet und ist für die rund 6.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Einzugsgebiet der einzige Supermarkt im Umkreis von einigen Kilometern. Zudem gaben Politikerinnen und Politiker der Diakonie die Zusage, in naher Zukunft in der Umgebung kein neues Gewerbegebiet erschließen zu lassen. Die Konkurrenz von Discountern droht vorerst nicht. Ohne diese Voraussetzungen wäre ein Überleben schwierig. Die Supermarkt-Branche ist hart umkämpft.
So aber läuft das Geschäft gut, versichern Schreiner und der Filialleiter Gerd Weber. Die Einnahmen liegen am oberen Rand der Erwartungen, der Markt rechnet sich. Im Durchschnitt sind die Kundinnen und Kunden 62 Jahre alt und kaufen für zehn Euro ein. Vor allem aber kommen sie immer wieder. „Hier geht es nicht nur ums Einkaufen“, sagt Weber. Ein Schwätzchen mit Nachbarn vor dem Kühlregal ist manchmal wichtiger als der Griff ins Regal selbst.
Eine ältere Dame kann das bestätigen. „Ich hole gerade einen Liter Milch, aber eigentlich ist mir die Decke auf den Kopf gefallen“, gesteht sie. Mit dem Angebot ist sie zufrieden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien nett und freundlich, sagt sie. Ein anderer Kunde entgegnet auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, auch in anderen Läden häufiger von Menschen mit Behinderungen bedient zu werden: „Ja, warum denn nicht?“ Er guckt fast ein bisschen vorwurfsvoll. „Was spricht denn dagegen?“
„Eigentlich nichts“, sagt Gerd Weber und lobt im gleichen Atemzug die hohe Motivation seines Teams. „Andererseits muss die Mischung der Belegschaft natürlich stimmen.“ Bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Behinderungen gibt es Einschränkungen. Aufgaben müssen geduldig und Schritt für Schritt erklärt werden. Beim Tempo muss man Abstriche in Kauf nehmen. Auch die Arbeitszeiten bereiten mitunter Schwierigkeiten. „Wir arbeiten hier im Schichtdienst“, sagt Weber. Wenn Waren geliefert werden, wird es schon früh morgens anstrengend und hektisch. Der Samstag ist ein Arbeitstag.
Der Schichtdienst bereitet Kati keine Probleme, Samstagsarbeit auch nicht. „Ich bin wirklich sehr gerne hier“, sagt sie. An die Zusage für die Stelle im CAP-Markt erinnert sie sich aus zwei Gründen noch sehr gut. Sie war damals acht Monate arbeitslos und es war vier Tage nach ihrem Geburtstag. Für Kati steht fest: „Ein kleines Geschenk ist der Job noch immer.“